Alltag auf dem Dorfe

Aus Chronik Groß Kreutz
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Die Vielfalt der Lebensverhältnisse kann und soll hier nicht geschildert werden. Es gab jedoch Zeiten, die heute kaum noch vorstellbar sind. Deshalb sollen hier einige Tätigkeiten, die zu ihrer Zeit selbstverständlich waren, geschildert werden.

Die Ältesten unter uns können sich vielleicht noch an die Zeit nach 1945 erinnern. An Allem herrschte Mangel und der Hunger war groß. Herbeigesehnt wurde die Erntezeit. jetzt gab es die Möglichkeit zu Stoppeln. Laut Duden wird darunter "Ähren sammeln" verstanden. Auf den abgeernteten Feldern durfte man nach verloren gegangenen Kornähren suchen, noch viel begehrter und einträglicher war das Nachsammeln von Kartoffeln. Glücklich schätzte sich derjenige, der eine Stelle gefunden hatte, bei der der Kartoffelroder die Furche nicht richtig erwischt hatte. - Drei Jahrzehnte später war wieder stoppeln angesagt, und zwar von Blumenzwiebeln (s.u. Muckern)

Waschbrett, Aufn. im Dorfmuseum Gr. Kreutz; W.H.j. 10/2020
Datei:Waschzuber
Waschzuber
Handbetriebene Wasch"maschine", Aufn. im Dorfmuseum Gr. Kreutz; W.H.j. 10/2020
Die WM 66, Aufn. im Agrarmuseum Dorf Mecklenburg; W.H.j. 8/21
Tischschleuder, Aufn. im Agrarmuseum Dorf Mecklenburg; W.H.j. 8/21

Wie z. B. das Heizen. Wann und wo die erste Zentralheizungen im Dorf eingebaut wurde ist nicht bekannt. In die Villa von Prof. Schneider wurde 1914 eine Zentralheizung von der Brandenburger Firma Sonntag eine solche eingebaut. Die Häuser der Marwitz-Siedlung wurden 1938 mit Zentralheizungen ausgestattet. Dies war für damalige Zeit ein ungeheurer Luxus für Landarbeiterfamilien und nicht selbstverständlich. Die schlechten Zeiten nach dem Kriege erforderten viel Improvisationstalent. Der Sägespäneofen, ein in Tischlerwerkstätten übliche Art des Heizens, fand in Wohnzimmer seinen Weg. Sie gab es nicht so einfach zu kaufen in dieser Notzeit. Geschickte Schlosser bauten aus allem Möglichen kleine Öfen. Durch den Flüchtlingszustrom hauste in fast jedem Zimmer eine Familie – auch in Zimmern, für die kein Ofen vorgesehen war, musste ein Wärmequelle geschaffen werden. Da aber oft nur ein Schornstein für das Haus vorgesehen war, mussten Abzugsrohre quer durch die Räume zum nächsten Schornstein verlegt werden. Eigentlich waren seit dem 19. Jahrhundert Kachelöfen bewährt und beliebt, doch die gab es nicht in jedem Raum. Weitere Heizquellen waren Gusseiserne Öfen, die Kochstelle in der Küche , eventuell auch die Feuerstelle in den teilweise vorhandenen Waschküchen. Heizmaterial war vor dem Krieg für Zentralheizungen die Steinkohle bzw. Koks, aus dem Rheinland. Nach dem Krieg fiel dies alles weg und alles was brennbar war, diente für eine warme Stube. Holz, soweit erreichbar, wurde im Wald gesammelt; Stubben wurden mühselig gerodet, [1] zum Anzünden wurde Holz klein gespalten, sehr begehrt war Kien, das harzhaltige Holz der Kiefern. Als es in den Sechzigern und vor allem in den Siebzigern materiell besser ging, kamen sogenannte Etagenheizungen in Mode. Diese kleinen Öfen wurden mit Umwälzpumpen betrieben, oder funktionierten nach dem Schwerkraftprinzip. Einen „Quantensprung“ erlebte die Heiztechnik nach der „Wende“. Moderne Öfen auf Heizöl- oder Gasbasis wurden das Non plus Ultra. Getrieben von Energiepreisen und der Einsicht, dem immer mehr in das Bewusstsein der Menschen rückenden Klimawandel, etwas entgegen zu setzen, rücken immer neuere, effizientere Wärmegewinnungsmethoden in den Vordergrund. Optimale Wärmedämmung beim Hausbau erlauben das Heizen mit Wärmepumpen. Sonnenkollektoren auf dem Dach fangen Sonnenenergie ein und Biogasanlagen sorgen für warmes Wasser und Räume. Wann werden alle geeigneten Dächer mit Photovoltaikanlagen versehen sein? Kommt die Energiewende 2022 unter der Rot-Grün-Gelben Regierung in Schwung?

Das "Muckern". Hinter diesem etwas despektierlichem Begriff verbirgt sich der Fleiß von all denjenigen, die neben ihrer normalen Beschäftigung im Beruf, abends, am Wochenende und in ihrer gesamten Freizeit, sich dem Anbau von Obst und Gemüse widmeten. So lange die Grenze nach Westberlin offen war, wurde für harte DM dort gerne verkauft. Man durfte sich bloß nicht erwischen lassen, denn offiziell war es natürlich verboten. Als 1961 die Grenzen dicht gemacht wurden, waren die Sammelstellen (s.5.2.2 Garten- und Obstbau) die Hauptabnehmer. (s.a. Geographie, Gartennutzung) Einen ganz besonderer Nebenerwerb ergab sich aus der Tatsache, dass die in Neu Bochow ansässige GPG Zierpflanze, auf den Feldern rings herum, Tulpen und Krokusse anbauten. Bei deren Ernte blieben so manche Zwiebeln im Boden. Das Nachsammeln und im eigenen Garten vermehren, wurde zu einer guten Einnahmequelle. - Eine weitere und von vielen genutzte Möglichkeit war das "Verfrühen" von Gemüse. Im beheizten Folienzelt wurden Tomaten zur Reife und in den Handel gebracht, zu Zeiten, in denen die Freilandtomaten noch nicht reif waren. Die Aufkaufstellen zahlten höhere Preise dafür, als man später im Geschäft bezahlen musste. Es ging das Gerücht, dass einige Geschäftemacher diesen Umstand ausnutzten und im Laden erworbene Früchte wieder zu den Aufkaufstellen brachten.

Waschen, ob Leib oder Wäsche - es muss sein. Doch so bequem wie es heute ist, mit Warmwasser aus Wand und einer Waschmaschine, die nicht zu heiß wäscht und dann noch schleudert, war in früheren Zeiten ein Traum, der meisten geplagten Mütter und Frauen. Der Waschzuber und das Waschbrett waren die einzigen Hilfsmittel. Manchmal musste auch die "Wurzelbürste" zu Hilfe genommen werden, X-Mal gespült und ausgewrungen werden. In einigen Häusern gab es einen kupfernen oder emiallierten Waschkessel im Keller oder im Nebengebäude, der von mehreren Familien genutzt werden konnte. Eine der größten Errungenschaften war in den Sechzigern die WM 66. Eine unverwüstliche Waschmaschine und noch dazu relativ preiswert. Zum Schleuder wurde dann noch eine separate Schleudern angeschafft.

Erinnerungen an alte gebrauchsgegenstände unter Sprache, Mundart und Jargon im Kapitel Die Sprache in Wort und Schrift

Fußnoten

  1. was hinter diesem Halbsatz steckt, kann nur derjenige ermessen, wie kraftraubend das Ausbuddeln von großen Wurzeln ist