Sagen und Legenden

Aus Chronik Groß Kreutz
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Sagen sind mündlich überlieferte Berichte zu Geschehnissen, die meisten auf die jeweilige Örtlichkeit bezogen sind, oft auch eine allgemein gültige Botschaft verbreiten. Manchmal liegt der Überlieferung ein wahrer Kern zu Grunde, der ausgeschmückt die Erzählung bereichert. Der aufgeklärte Mensch von heute weiß natürlich Fiktion von Wirklichkeit zu unterscheiden, und so muss man auch die folgenden Sagen aus Groß Kreutz betrachten. Trotzdem haben so alte Überlieferungen ihren ganz eigenen Reiz und gehören zur Geschichte eines Ortes.

DAS TOTENFENSTER IN GROSS KREUTZ Der dreißig Meter hohe Kirchturm von Groß Kreutz hat nach allen vier Himmelsrichtungen statt der Schallöcher große Fenster mit Holzläden, die beim Begräbnisläuten geöffnet werden. Nach Beendigung des Geläuts werden die Läden regelmäßig geschlossen. Aber die Leute sagen: „Im Turme spukts!“ Der Leute Mund sagt und so geht die Sage: „Wenn ein Fenster offen steht, so kommt der nächste Tote aus dieser Richtung. Ja, es ist ein eigen Ding um die Turmfenster. Sie können alle geschlossen sein, plötzlich steht eines Tages ein Fenster auf, niemand ist da oben gewesen. Geschieht das, dann werden noch heute die Gemüter ängstlich und fragen sich bang, wer wird in Nord oder Süd, in Ost oder West der Arme im Dörflein sein, den der Sensenmann abruft. Meistens trifft es ein; wenige Tage nach Offenstehen eines Fensters verkündet Trauergeläut am Morgen, daß wieder einer heimgegangen ist. Bleiben alle Fenster geschlossen, wird ein Toter von außerhalb ins Dorf gebracht, ein Wanderbursch, ein Verunglückter oder ein im Krankenhaus Verstorbener.

DAS KREUZ AM WEGE Als Karl der Große auf seinem Kriegszuge gegen die Wenden über die Elbe vordrang, jagte er, die im heutigen Brandenburgischen wohnenden Wilzen vor sich her in Richtung auf die Oder. Es war seine Absicht, auch dieses Volk in seinen großen Reichs- und Kirchenverband einzufügen. Auf diesem Siegeszuge kam er bis in die Gegend von Groß Kreutz, an dessen Stelle damals noch ein Kiefernurwald stand. Er gönnte seinem Heere hier Ruhe und ließ ein Lager aufschlagen. Zufrieden mit seinem Erfolge befahl er, mitten im Lager an der Kreuzung der alten Heerstraße zum Zeichen, daß er das Kreuz Christi bis in unsere Gegend vorgetragen habe, aus Kiefernbalken ein großes Holzkreuz aufzurichten. Deshalb nannten später die Mönche den Ort „crucis locus“, Ort des Kreuzes.

DIE BÖSE FRAU VON GROSS KREUTZ Es war einmal ein Mann, der war gar klug, denn er verstand die Sprache der Tiere, aber so klug er auch war, so konnte er doch seine böse Frau nicht recht im Zaum halten. Nun traf sich’s einmal, daß er in seinem Hofe saß und dem Gespräch der Tiere zuhörte. Da das aber gerade einen gar lustigen Gegenstand betraf, lachte er laut auf, und das sah seine Frau. Nun drang sie mit großer Heftigkeit in ihn, denn sie war auch gar neugierig, er solle ihr doch erzählen, worüber er gelacht habe. Allein, so gern er es auch gemocht hätte, um sie nur zufrieden zu stellen, so durfte er es doch nicht, denn es hätte ihn sonst sein Leben gekostet. Er schlug es ihr daher ab, aber dadurch wurde das Weib um so ungeduldiger und jähzorniger und überhäufte ihn mit vielen Schmähungen und Vorwürfen und sagte, daß er immer Heimlichkeiten vor ihr habe. So ging es von einem Tag zum andern, so daß der Mann zuletzt ganz traurig und betrübt wurde und mit gesenktem Haupte daher ging, indem er sann, wie er es wohl ändern könnte. Da ging er auch in den Hof und sah , wie der Hahn lustig umherlief und sein lautes „Kikeriki“ erschallen ließ. Der Hund aber war ganz still und sprach zum Hahn: “Wie kannst du nur so lustig sein, da doch unser Herr so traurig ist, wegen seines bösen Weibes, das ihm keine Ruhe lässt?“ - „Ich denke“, entgegnete der Hahn, „es wird sich wohl noch mit ihm ändern, er braucht sich ja nur an mir ein Beispiel zu nehmen. Ich habe über hundert Frauen, aber wehe der, die mir nicht gehorchen wollte, ich würde ihr augenblicklich die Augen aus dem Kopf hacken; und er hat doch nur die eine und sollte nicht mit ihr fertig werden?“ - Das hörte der Herr mit Vergnügen an, denn er sah ein, der Hahn habe recht. Er ging daher sogleich in sein Haus, nahm die Peitsche und hieb damit tüchtig auf seine Frau los, indem er sie fragte, ob sie noch Verlangen trage, zu wissen, weshalb er gelacht habe. Da kroch sie sogleich zu Kreuze und hat nie in ihrem Leben wieder verlangt, ihres Mannes Geheimnisse zu wissen, und sie haben von da an glücklich und zufrieden gelebt bis an ihr Ende.

SCHÄFER RIETZ Anfangs des 19. Jahrhunderts lebte in Groß Kreutz der alte Vater Rietz. Er war noch ein Schäfer von altem Schrot und Korn, trug noch eine Perücke mit Zopf, einen schwarzen Dreimaster und einen Schafpelz mit dem Fell nach außen und zwar im Winter und im Sommer, denn er meinte: Was gut ist für die Kält’, ist auch gut für die Hitz’. Er kannte allerlei Heilkräuter und wußte auch mancherlei Mittel für Mensch und Vieh. Ihn fragten die Bauern, wie das Wetter würde und jedem gab er einen guten Rat. Er sinnierte aber auch gern. Jung und Alt hörte seinem Plauschen gespannt zu. Woher er das alles wußte, konnte sich keiner erklären, aber er prophezeite Dinge, die auch wirklich eintrafen. Mit Staunen hörten die Leute, daß der Franzosenkaiser durch das Dorf kommen würde und Preußen erobern. General Yorck aber wird sich mit den Russen verbünden und des Kaisers Heer schlagen; ja Napoleon wird aus Russland fliehen. Manchmal aber schüttelten sie die Köpfe, wenn er sagte, eine Eisenstraße würde am Dorf vorbei führe., und es werden darauf wagen ohne Pferde fahren, in denen ein ganzes dorf platz hat. Wenn er aber erzählte, dass noch sicher die Zeit kommt, wo die Leute in der Luft herumdüseln werden, dann lachten ihn die jungen Gurschen aus und meinten, er wäre bei seinem Alter wohl schon selber düselig. (Friedrich Hilgendorf)

In einer anderen Sage wird das uralte Motiv von der "Wilden Jagd" aufgegriffen. "Die Pferdekeule von Groß Kreutz", entnommen aus "Sagen aus dem Kreis Zauch-Belzig", Nr. 29, O.Brachwitz und in einem Gedicht von Hans Brennecke, in dem er Bezug nimmt, auf den wohl recht eigenwilligen Charakter des Rittergutsbesitzers. Er nennt ihn nicht Albert v. Arnstedt sondern Hartwig v. Arnstedt.

Die Pferdekeule von Groß Kreutz In alter Zeit lebte in der Schloßburg in Groß Kreutz ein tapferer Ritter, der die Jagd über alles liebte. Tagelang war er mit seinen Jägern und Hunden im Wald und kehrte erst spät abends heim. Es war an einem stürmischen Herbsttage, da ritt er wieder einmal in den Wald, um des edlen Waidwerks zu pflegen. Düstere Wolken jagten über die schwankenden Baumkronen. Der Sturm riß Laub und Zweige von den Bäumen und jagte die bunten Blätter durch die Stämme. Bald stäubte auch ein kalter Regen hernieder. Trotz allem ging er mit Hussah und Horrido immer tiefer in den Wald. Aber aller Jagdeifer war vergebens, es war auch kein Schwanz zu sehen. Der Abend kam, die dunkle Nacht zog herauf, und unwillig, müde und durchnäßt kehrte der Ritter heim. Nach kurzem Nachtmahl warf er sich wütend auf sein Lager und versuchte zu schlafen. Aber der Sturm tobte mächtig um das Haus, die Zweige peitschten gegen die Mauern, der Regen rauschte, ein Stöhnen und ächsen klang schaurig durch die Bäume. Es klang, als ob die Hölle losgelassen wäre. Sicher jagte der wilde Jäger durch die Lüfte. Da sprang der Ritter wutentbrannt vom Lager, riß den Fensterladen auf, brüllte in die Nacht hinaus: "Halbpart, wilder Jäger!" und begab sich schlaftrunken zur Ruhe. Als er am nächsten Morgen die Laden aufstieß, hing da am Fensterhaken eine mächtige Pferdekeule. Der Ritter traute erst seinen Augen nicht, dann aber dachte er an seinen Wunsch. Er erkannte, daß ihn der wilde Jäger verhöhnen wollte. Schnell riß er die Keule vom Haken und warf sie seinen Hunden hin, die sie auffraßen. Aber, oh Wunder, am nächsten Morgen hing wieder eine Pferdekeule an demselben Haken. Zornig warf er das Fleisch wieder in den Hof und riß auch den Haken heraus. Doch, oh Graus, am dritten Morgen war der Haken wieder in der Wand und daran baumelte eine dritte Pferdekeule. Da bekam es der Ritter mit der Angst zu tun und ließ die Keule hängen. Die Vögel nährten sich von dem Fleisch, aber der große Knochen baumelte noch manches Jahr im Winde am Fensterhaken.

Autor unbekannt; aus Otto von Reinsberg-Düringsfeld: Das festliche Jahr in Sitten, Gebräuchen und Festen der germanischen Völker. Mit gegen 130 in den Text gedruckten Illustrationen, vielen Tonbildern u. s. w. Spamer, Leipzig 1863

"Der wilde Jäger" von Ludwig Pietsch (1824 - 1911)

DIE WILDE JAGD VON GROSS KREUTZ


(von Hans Brenneke, aus einem „Brandenburgischen Bauernkalender“.)

Und die wilde Jagd und die tolle Jagd,
Und die Jagd über rauschende Bäume,
Die braust aus dem Wald eh der Morgen tagt,
Ist keiner im Dorf, dem das wohl behagt,
Denn das heult in die quälenden Träume.
Nur Hartwig von Arnstedt – der hat gelacht,
Als die zwölfte Stunde geschlagen
Und über Groß Kreutz um die Mitternacht
Begann das schaurige Jagen.
Er kroch aus dem Bett und trat aufrecht im Hemd
Verwegen an’s offene Fenster,
Und hat – auf die beiden Fäuste gestemmt –
er brüllt in den Spuk der Gespenster:
„Heh ! Hollaheh ! Viel Glück auf die Waid!
Und was immer du auch geschossen,
Halbpart, sonst holt dich, bei meinem Eid
Der Satan samt deinen Genossen!“
Dann kroch er gähnend zurück in’s Bett,-
Ein Arnstedt hat keine Sorgen –
Er schlummerte in dem eigenen Fett
Und erwachte erst spät am Morgen.
Er brummte: „Der Schlaf ist, weiß Teufel, was wert!“
Und schlurfte behaglich an’s Fenster.
Potz Blitz ! Da hing eine Keule vom Pferd,
An den Pfosten genagelt mit rostigem Schwert
Darüber stand – auf den Balken geteert:
„Halbpart!“
Genau wie’s der Arnstedt begehrt,
Von der wilden Jagd der Gespenster.
Das ist ein Streich, der die Leber zerfrißt!
Er riß das Schwert aus dem Pfosten,
Warf fluchend die Keule hinaus auf den Mist
Und spuckte dreimal gen Osten.
Doch kaum, daß der Ritter den Rücken gekehrt,
Da hing, durchstoßen vom rostigen Schwert,
Die Keule wieder am Fenster.
Und als der von Arnstedt schon hoch betagt,
Blieb treu ihm die Beute der wilden Jagd,
Der Halbpart der Nachtgespenster.